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Warum Bildung nicht das mächtigste Werkzeug ist, um die Welt zu verändern ...

Und nicht das einzige Tool, um unseren eigenen Weg zu gestalten.



In diesem Blogartikel möchte ich dazu anregen, unsere Vorstellungen über "Bildung" und "Schule" zu überdenken, unseren Geist zu dehnen und zu öffnen, um gute Fragen zuzulassen und radikale - im etymologischen Sinne "an die Wurzel gehende" - Antworten zu geben.


Bildung ist das mächtigste Werkzeug, das uns befähigt, die Welt zu verändern und unseren eigenen Weg zu gestalten.


Diese Aussage wird oft mit verschiedenen Persönlichkeiten in Verbindung gebracht, darunter zum Beispiel Nelson Mandela (südafrikanischer Anti-Apartheid-Kämpfer und späterer Präsident seines Landes) und Malala Yousafzai (pakistanische Aktivistin und die jüngste Friedensnobelpreisträgerin).


Beide haben damit die transformative Kraft der Bildung betont und bekanntermaßen ihre eigene, individuelle Bildungsreise genutzt, um positive Veränderungen in der Welt herbeizuführen.


Zweifellos wissen wir alle, was die beiden mit dieser Aussage und dem Bild, welches sie damit zeichnen wollten, meinen. Und so gut wie jeder würde dieser schlagkräftigen Aussage auch zustimmen.


Doch ähnlich wie bei allen Wörtern, Affirmationen und Lifestyle – Sprüchen müssen wir lernen flexibler im Denken, achtsamer im Reagieren und bewusster im Wählen zu werden.


Ein Beispiel.


Du bist gut so wie du bist


Das ist ein wunderbarer Satz, der in einigen Lebensphasen gutes in uns bewirken kann. Er kann uns Entspannung geben, an mehr Leichtigkeit erinnern und heilen von übertrieben perfektionistischen Zielen und zu großer Vorsicht sichtbar in der Welt zu werden, mit dem, was uns innen bewegt.


Dieser Satz kann aber auch pures Gift für uns sein.


Es gibt Lebensphasen, in denen wir unzufrieden mit Macken, Verhaltensweisen, Süchten, Zuständen und Gewohnheiten in unserem Leben sind, da sie vielleicht zerstörerisch, destruktiv, lieblos und ungesund sind. Wir wissen zwar, dass es eine bessere Version von uns da draußen gibt, uns fehlt jedoch die Kraft dort hinzugelangen.


Dieser Satz: "Du bist gut so wie du bist", wirkt dann eher wie ein schleichendes Gift, ein Narkotikum und hindert uns die Disziplin aufzubringen, die es bräuchte, um neue Wege einzuschlagen, Privilegien zu überdenken oder mit alten Strukturen zu brechen.


Das Gleiche gilt für Sätze wie:


  • Bildung ist das mächtigste Werkzeug, das uns befähigt, die Welt zu verändern und unseren eigenen Weg zu gestalten.

  • Bildung ist der Schlüssel, der die Tür zu unendlichen Möglichkeiten öffnet.

  • In den Klassenräumen werden aus Neugier Wissbegierde und aus Wissbegierde Weisheit.


All das - Wörter, Affirmationen und Sätze - können sogenannte Narrative sein.


Narrative tragen unterschwellige Botschaften durch die Welt: angebliche Ursachen, Wirkungen, Verbindungen, Konflikte, die wir uns selten vergegenwärtigen und die wir doch immer und immer wieder erzählt bekommen und nacherzählen.

El Ouassil, S., Karig, F. (2023). Erzählende Affen (S.27-28). Berlin: Ullstein Verlage.



Narrative können die Wirklichkeiten stark verklären, vereinfachen und tun dies auch tausendfach an einem einzigen Tag bei jedem von uns.


Wir kennen alle das Narrativ: "Jeder ist seines Glückes Schmied.", millionenfach gehuldigt, in aber Millionen Geschichten und Erzählungen, durchzieht dieses Narrativ unserer Welt, unser Denken und ist fundamental für den neoliberalen Individualismus unserer Zeit.


Wem es scheiße geht, hat einfach nicht genug oder gut genug geschmiedet.


Dass die Strukturen, in denen er schmiedet, für sein Glück mit entscheidend sind, dass nicht jeder mit einem brauchbaren Amboss auf die Welt kommt, dass das Leben manchen Menschen bessere Materialien zum Schmieden mitgibt als andere - all diese systemischen Faktor für Glück und Unglück spielen hierbei keine Rolle.

El Ouassil, S., Karig, F. (2023). Erzählende Affen (S.28). Berlin: Ullstein Verlage.



Viele Narrative über Bildung und Schule blockieren Entwicklung


Schauen wir jetzt z.B. auf Narrative wie "Bildung ist das mächtigste Werkzeug, das uns befähigt, die Welt zu verändern und unseren eigenen Weg zu gestalten." oder "In den Klassenräumen werden aus Neugier Wissbegierde und aus Wissbegierde Weisheit." und gleichen dies mit aktuellen Studien, den eigenen Erfahrungen und unserer Wahrnehmung als Lehrer oder Eltern über die Qualität unserer Schulen ab, wird schnell deutlich, dass solche Sätze zwar grundlegend richtig sind, doch unbrauchbar im Kontext einer echten Diskussion.


Unterschwellig tragen solche Narrative Botschaften in unser Nervensystem, die uns mehr daran hindern, offen mit der Bildungskrise umzugehen, weil sie in uns unbewusst Zustimmung bekommen, berechtigte Kritik abschwächen und wir uns schnell zerrissen fühlen bei wichtigen Fragen wie:


  • Wozu brauchen wir noch ernsthaft eine Schulgebäudepflicht, in Zeiten von Open Knowledge, ChatGPT und einem reichhaltigen Bildungsangebot außerhalb unserer Schulen?

  • Was können Schulen wirklich über dieses Angebot hinaus konstruktives zu einer Gesellschaft beitragen und wie müssten sie dann strukturiert und ausgestattet sein?

  • Wie können wir Leistungen und Lernstände, außer mit Noten und langweiligen Textbausteinen, heutzutage wirklich sinnvoll dokumentieren, damit Kinder und Jugendliche ihre Schwächen und Stärken kennen-lernen und wir z.B. als Unternehmen einen guten Überblick haben, wo der jeweilige Mensch gerade steht?

  • Wofür qäulen wir uns und die Jugendlichen durch standardisierte ZAP - Prüfungen und einheitliche Tests, die alle unter Druck setzen, Kreativität töten und Mehrarbeit für alle bedeuten?

  • Weshalb sortieren wir weiterhin 10-Jährige in verschiedenen Schulsysteme und suggerieren uns und ihnen damit schon so früh Bild von gut und schlecht?

  • Warum setzen wir uns nicht mit den klügsten, innovativsten und kreativsten Köpfen und Herzen aus Bereichen der Bildung, Pädagogik, Psychologie, Wirtschaft uvm. zusammen und konstruieren ein Feld, auf dem eine radikal - neue, vielfältige und innovative - Bildungslandschaft gedeihen kann?


Durch die stillschweigende Zustimmung und Aufrechterhaltung solcher Narrative, wie "Bildung ist der Schlüssel, der die Tür zu unendlichen Möglichkeiten öffnet", verklären wir den Status quo und die Ursachen unserer Bildungskrise, die nicht erst seit dem Lehrermangel oder Bildungstrend existiert.


Ich war von 1987 bis 2001 als Schüler in der Schule und in dieser Zeit haben wir uns schon in einer massiven Bildungskrise befunden.


Ich denke, dass sich Schule nur sehr langsam verändert. In den Grundstrukturen, kurzfristigen Reaktionen, in den Annahmen über Kinder und, wie sie sein sollten, verändert sich kaum etwas. Manchmal wechseln die Farben der Würfel. Manchmal bekommt das Spielbrett ein neues Design, die Spielregeln werden umformuliert, Tools werden ausgetauscht ... Und doch bespielen wir weiter ein Schulsystem von vor 100 Jahren.


Lasst uns frech, flexibel und frisch denken lernen.


Neu zu denken und zu handeln erzeugt selbstverständlich auch Konflikte, aber durch solche oben genannten Narrative schonen wir uns unnötigerweise vor überfälligen und nötigen Auseinandersetzungen. Dies wird deutlich in der sich alljährlich wiederholenden und schon lange anhaltenden Bildungskrisendebatte. Ein Auslöser war dieses Jahr folgende Ergebnisse:


Grundschülerinnen und -schüler haben sich in Deutsch und Mathe laut Bildungstrend 2021 fast bundesweit verschlechtert.

Die diesjährige Antwort von unseren homogenisierten "Bildungsexperten", die mehr an Komfort und Privilegien, interessiert zu sein scheinen, lautete vereinfach ausgedrückt:


  • mehr Deutsch - Stunden

  • mehr Mathematik - Stunden


Come on ... !



Wir bleiben offensichtlich hängen, indem wir die Mär von den Geschichten ...


"Bildung ist immer gut."

"Schulen sind besser als keine."

"Wenn du was werden willst, brauchst du'n Schulabschluss."


... immer wieder erzählt bekommen und leicht abgeändert und geschwächt nacherzählen.


Dies wirkt auf uns alle wie ein schleichendes Gift und dieses ewige "Schule ist wie sie ist - Narkotikum" hindert uns die Handlungsenergie aufzubringen, die es bräuchte:


  • um wirklich neue Wege einzuschlagen

  • unsere Heilige Kühe im Bildungswesen zu schlachten

  • mit alten Strukturen radikal zu brechen


Narrative wie "Bildung ist das mächtigste Werkzeug, das uns befähigt, die Welt zu verändern und unseren eigenen Weg zu gestalten.", so oder so ähnlich verpackt, blockieren eine lebhafte Gesprächsrunde, um Probleme zu lösen.


Wie z.B. die große Herausforderung einer gesamten Gesellschaft, Schulen im 21. Jahrhundert zu konstruieren, die wir mal mindestens so feiern, wie ein neues Produkt von Apple - Wir sie innovativ mitentwickeln. Auspacken. Leuchtende Augen haben. Und voll Erwartung und Begeisterung sind, was da wohl alles passieren mag.


Ich denke, niemand hätte wirklich etwas dagegen einzuwenden, dass Menschen ermöglicht wird, ihr Potential zu entfalten und sie ermächtigt werden, nötige Werkzeuge zu erlernen, mit denen sie ihre Vision von Glück schmieden können.


Wie genau das aussieht, liegt an der Geschichte, die wir bereit sind zu erzählen.


Schreib mir gerne deine Meinung dazu …




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Und die Frage, wie du am besten deinen Beitrag leisten

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Ich freue mich auf einen lebendigen Austausch und eure Erfahrungen

Eine gute Zeit wünscht euch Fabian Surrey





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